Aus diesem Grund haben wir heute nämlich auch gar keine Veranlassung, uns vor der Verantwortung wegzuducken. Natürlich ist es einfacher, bei kritischen Entscheidungen schnell mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Und zu behaupten, dass wir heute nur deshalb in dieser misslichen Situation sind, weil die anderen damals die falschen Entscheidungen getroffen haben.
Wenn wir uns nämlich zurück erinnern, dann wissen wir sehr wohl, dass wir damals die Entscheidungen zur Rekommunalisierung gemeinsam getroffen haben. Die kartellrechtlichen Verfahren gegen die Enwag liefen seit 2009. Nachdem es bereits zwei kartellrechtliche Verfügungen gegen die Enwag gab und die dritte sich abzeichnete, war schnell klar, dass nur die Rekommunalisierung einen Ausweg bieten konnte. Die dazugehörige Druckvorlage stammt noch von der alten Koalition und wurde in der Stadtverordnetenversammlung am 06.05.2010 beschlossen. Die Umsetzung erfolgte dann mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung über eine zweite Druckvorlage am 06.10.2010. 2011 nahm der Eigenbetrieb seine Arbeit auf und am 27.03.2011 wirbelte die Kommunalwahl in Wetzlar die Mehrheitsverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung durcheinander.
Ich kann mich noch genau an diese zweite Druckvorlage in 2010 erinnern.
Dort wurden bei der Eigenkapitalverzinsung für die Enwag zwei Alternativen aufgezeigt. Bei dem niedrigeren Wert, nämlich 4,13%, konnte der damals bestehende Wasserpreis gehalten werden. Auf diese Weise konnten wir alle unser Gesicht wahren. Wäre der Wasserpreis nämlich gesunken, hätte dies Wasser auf die Mühlen der Kartellaufsicht bedeutet.
Wäre der Wasserpreis gestiegen, hätte dies Unmut bei den Wählern ausgelöst.
Die Kalkulation mit dem bisherigen Wasserpreis hätte auch aufgehen können. Tatsächlich hat dies aber nur in einem Jahr funktioniert – nämlich in dem sehr trockenen Jahr 2015. Da ist die Frage nach der Ursache berechtigt.
Herr Handtusch hat zwar noch nicht gesprochen, aber – um es vorwegzunehmen – die Ausländer im Allgemeinen bzw. die Flüchtlinge im Speziellen sind nicht Schuld an den aufgelaufenen Verlusten.
Auch die bereits erwähnte Eigenkapitalverzinsung der Enwag ist nicht die Ursache. Natürlich hat sie Einfluss auf den Wasserpreis. Deshalb ist es gut, dass sie durch erneute Verhandlungen auf 3,75% gesenkt werden konnte. Da sie aber bei dem Wasserpreis für den Endverbraucher mit einberechnet ist, kann sie nicht zu Verlusten führen.
Die Verluste sind vielmehr – neben den Kosten aus dem Kartellverfahren und Verwaltungskosten – durch eine geringere Abnahmemenge begründet.
Ärgerlich dabei ist, dass der Wegfall eines Großkunden schon damals für die Enwag eigentlich vorhersehbar hätte sein müssen.
Hinzu kommt, dass in der Kalkulation nicht die korrekte Anzahl von Wasserzählern berücksichtigt wurde. Solche Abweichungen zwischen Planung und Wirklichkeit haben wir auch bei der Müllgebühr und der Hundesteuer erlebt.
Misslich ist zudem der lange Zeitraum für die Berechnung des Selbstkostenpreises bei der Enwag. Herr Dr. Büger hat auch hier ganz schnell einen Schuldigen ausgemacht, nämlich Herrn Stadtrat Kortlüke.
Genauso gut könnte man aber auch behaupten, der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Enwag, Herr Dette, hätte diese Angelegenheit mit deutlich mehr Nachdruck verfolgen können. Aber wir sollten hier nicht in das alte Schema der Schuldzuverweisungen zurückfallen.
Ebensowenig, wenn es um die aufgelaufenen Verluste geht. Wenn Sie, Herr Dr. Büger, vortragen, der neue Magistrat mit der neuen Koalition habe die Verluste sehenden Auges in Kauf genommen, dann gehört auch zur Wahrheit, dass es einen Kämmerer Dette gab. Dieser hat nämlich in seinen Haushaltsplänen immer die Verluste durch Zuführungen in die Rücklagen des Eigenbetriebes kompensiert. Außerdem kann ich mich an keine Druckvorlage erinnern, mit der Sie die Erhöhung des Wasserpreises gefordert und eine konkrete Zahl genannt hätten.
Ich wäre deshalb froh, wenn wir wieder zu einer sachlichen Beratung zurückkehren könnten. Dazu gehört auch, über die verschiedenen Berechnungsmodelle zu diskutieren.
Die erste Variante könnte eine hohe Grundgebühr in einer Kombination mit einem niedrigen Arbeitspreis sein. Ich habe vielfach gehört, dass dies kinderreichen Familien mit wenig Einkommen entgegen kommen würde. Aber auch wohlhabende Poolbesitzer finden diesen Ansatz bestimmt gut. Daneben benachteiligt dieser Ansatz Single-Haushalte mit geringen Wasserverbrauch und wenig Einkommen, so z.B. die Witwe mit kleiner Rente. Schließlich geht völlig der Anreiz zum Wassersparen verloren.
Anders herum könnte man in der zweiten Variante eine niedrige Grundgebühr und einen hohen Arbeitspreis ansetzen. Dann müssten aber wieder die kinderreichen Familien mit wenig Einkommen leiden.
Deshalb geht die heute zur Beschlussfassung vorliegende Druckvorlage – aus meiner Sicht zu Recht – einen dritten Weg: Grundgebühr und Arbeitspreis werden Verhältnis gleichmäßig erhöht. Darin spiegelt sich wieder, dass wir keinen Anlass haben, etwas an dem ausgewogenen Verhältnis der beiden Komponenten zu ändern.
Wichtig ist mir auch, dass wir in Wetzlar weiterhin keinen separaten Baukostenzuschuss bei der Wasserversorgung haben. Positiv ist ferner, dass wir den Wasserpreis nun regelmäßig überprüfen. So handhaben wir es schließlich auch bei anderen Gebühren.
Zusammenfassend darf ich sagen, dass die Erhöhung des Wasserpreises zwar für jeden einzelnen ärgerlich ist, sie aber von meiner Warte aus notwendig und ausgewogen ist. Ich darf sie deshalb um Zustimmung bitten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!